Teil III unserer Reise 2019 - die baltischen Länder LITAUEN - LETTLAND - ESTLAND

 

vorher fuhren wir durch Polen, den Bericht darüber findet ihr hier

 


 

 

LITAUEN  (06. bis 16. Juli): 16| Druskininkai - 17| Trakai - 18| Vilnius - 19| Kaunas - 20| Zalvariai

 

LETTLAND  (16. + 17.0Juli):   21| Sigulda

 

ESTLAND (17. bis 27.Juli): 22| Tartu - Mustvee - Mereoja Camping  Viru-Nigula vald  (Lääne-Virumaa) - Rakvere -  23| Lepispea Caravan & Camping, Vösu (Lääne-Virumaa) - 24| Tallinn - Elbiku/Ölbäck (Kreis Lääne) - 25| Haapsalu - Pärnu  

 

LETTLAND  (27. Juli bis 02. August): Tüja - 26| Riga - Kolka - 27| Ventspils - Jelgava

 

LITAUEN  (02. bis 08. August): 28| Berg der Kreuze in Siauliai - Klaipeda - 29| Neringa (Kurische Nehrung) Marijampolé

 

Die Ortsnamen sind nicht immer ganz richtig geschrieben. In der baltischen Schriftsprache gibt es einige Zeichen, die meine Tastatur beim besten Willen und Probieren nicht hergeben will.

 


LITAUEN

 

16|DRUSKININKAI 

Zufällig war der erste Ort in Litauen ein Kurort, genauso wie der letzte Ort Augustów in Polen. Dazwischen lagen 111 Kilometer auf meist schnurgerader, guter Landstraße mit nur einer (!) Baustelle und keinem einzigen Lastwagen, aber einigen wenigen Wohnmobilen. Erst einen Tag später erfahren wir, dass heute der Nationalfeiertag ist. Wir fuhren durch viel Wald, kamen aber auch an kleinen Dörfern und bewirtschafteten Feldern vorbei. Auch Kühe sahen, kleine Herden von meist 8 bis 12 Stück.

 

Kurze Zeit nach Überqueren der Grenze liegt am Straßenrand rechts die Tourist-Information. Wir trafen einen freundlichen Mann an, der die Frage nach Englischkenntnissen mit "No, Russo" beantwortete. Aber er hatte unsere Maggie am Fenster vorbeifahren sehen und überreichte uns mit breitem Lächeln ein DIN-A-4-Heft mit Campingplätzen in allen drei baltischen Staaten. 

 

Druskininkai öffnet sich uns mit viel Grün, der 4-Sterne-Campingplatz ist leicht zu finden, lang und schmal und gut organisiert bis zum perfekten Englisch an der Rezeption,

 

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Wie gesagt, es war Nationalfeiertag, und das Städtchen gefüllt mit Besuchern, die auf der Hauptstraße zwischen Ständen mit Kunsthandwerk oder Süßigkeiten flanierten. Es ist eine breite Fußgängerstraße, die an einer Seilbahnstation endet. Eine Seilbahn ohne Berg, sie führt ca. einen Kilometer über den Strom der Memel. An einem Stand kaufen wir von einer rotbäckigen Frau in Tracht Weißbrot und köstlichen Apfelstrudel. Die Frage nach Englisch beantwortet sie genauso freundlich wie der Mann an der Tourist-Information mit "No, Russo". Ist ja auch klar, als die beiden jung waren, gehörte Litauen zur Sowjetunion und in den Schulen wurde als Fremdsprache Russisch gelehrt. 

 

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Durch die ganze Fußgänger-Hauptstraße ziehen sich Keramikskulpturen, die mir sehr gefallen haben. Leider habe ich die Plaketten mit den Namen der einzelnen Künstler nicht fotografiert, aber anschauen kann man sie ja trotzdem. 

 

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Am Sonntag ist Regen angekündigt, aber wir fahren trotzdem mit den Rädern los und haben Glück, bleiben trocken. Wieder fahren wir durch Wald, der lichter ist als der Urwald im polnischen Bialowieza, mit sehr hohen Bäumen, deren Wipfel hoch oben das Licht suchen.

 

Druskininkai liegt an einem See, den wir umrunden, und an der Memel, die die Grenze markiert zwischen Litauen und Russland (ehemals Ostpreußen) und Weissrussland auf der anderen Seite. 

 

Auf über 20 km Fahrt durch den Wald begegnen uns an diese Sonntag nur sehr wenige Spaziergänger und Radfahrer, und trotz sehr guter Beschilderung mit unverwüstlichen Holzplanken verfahren wir uns. Einen Besuch des Grutas-Parks ersparen wir uns wegen des einsetzenden Regens, der sich hartnäckig hält. Den Park mit Skulpturen von Größen der Sowjetunion an ein neureicher Alt-Rotarmist aufgebaut und sich damit selbst ein Denkmal gesetzt.

 

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17| TRAKAI

 

Nicht dass irgendjemand glaubt, Maggie hat das Schwimmen gelernt oder wir haben uns eines von diesen hypermodernen Wohnmobilen mit Schwimmflossen bestellt. Hier hat mal wieder das Navi gesponnen, was vielleicht an möglicher Militärpräsenz in einem Stützpunkt an der Grenze zu Weißrussland liegt. Irgendwann jedenfalls fuhren wir wieder auf der vorgezeichneten Straße und erreichten trockenen Reifens unser Ziel Trakai.

 

Meist ging die Fahrt wieder viele Kilometer schnurgerade durch Wald, mit Bushaltestellen in der Einsamkeit. Wider Erwarten waren kaum Laster unterwegs, dafür kreuzte ein Fuchs in schnellem Lauf die Straße. Unser Stellplatz liegt im Garten eines Privathauses. Der Besitzer spricht drei Worte Deutsch, hilft beim Rangieren, eilt mit dem Stromkabel herbei und nimmt bei Bedarf die WC-Kassette ab. Von einer erhöhten Stelle des Grundstücks zeigt er uns unser Zeil, die Wasserburg. Auf diesem Platz lernen wir eine sympathische vierköpfige Familie aus Ness kennen, die unterwegs ist nach Estland und von dort aus die Fähre nach Stockholm nehmen will. 

 

 

Im Anorak und bewaffnet mit Regenschirm besichtigen wir die Wasserburg, die zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten Litauens gehört. Im 14. Jahrhundert erbaut war sie in der Neuzeit verfallen und wurde im 20. Jahrhundert über viele Jahrzehnte auf den wenigen erhaltenen Resten komplett wieder aufgebaut. Allein 3 Reisegruppen aus Spanien treffen wir an, dazu jede Menge Asiaten, Deutsche und natürlich Litauer.

Für mich ist  das Zusammenspiel des Wetters mit dem Wasser um die Burg herum beeindruckend.

 

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Der Ort Trakai ist ein normales modernes Städtchen, aber das alte Dorf mit den Holzhäusern in der Nähe der Burg ist sehenswert. Und dort treffen wir auf der Suche nach einer Bäckerei oder einem Supermarkt diese hübsche junge Litauerin an, die uns an ihrem Stand Brot verkauft und mir erlaubt, das Foto von ihr auf dieser Seite zu zeigen.

 

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18| Hauptstadt VILNIUS

Maggie spiegelt sich im modernen Neubau bei der Einfahrt in die Hauptstadt
Maggie spiegelt sich im modernen Neubau bei der Einfahrt in die Hauptstadt

 

Die Hauptstadt Litauens (2017: 544.000 Einwohner) empfängt uns wie viele Großstädte mit Industriegebieten und Neubauten, wie ich finde sehr modern mit viel Glas und im wahrsten Sinne des Wortes schräger Architektur. Gleich zu Beginn lernen wir die litauische Ampelregelung (vielleicht gültig im ganzen Baltikum). Wenn das Grün blinkt, ist dies schon das Zeichen zum Anhalten, die Vorwarnung auf Gelb und Rot. Und wir lernen, dass Kreisverkehre auch Achterbahnen ähneln können.

 

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Wir übernachten auf einem gemischten städtischen Parkplatz, auf dem zwar keine Plätze extra für Wohnmobile abgeteilt sind, es aber einen besonderen Tarif für sie gibt, 24 Stunden kosten 8 €. Und das für einen sehr ruhigen Übernachtungsplatz direkt an der Vilnia, einem Nebenfluss des Neris. Zwischen den Wohnmobilen sehen wir das Fahrzeug der Familie aus Neuss wieder, die wir in Trakai kennengelernt haben.

 

 

Vom Parkplatz aus sind es nur ein paar hundert Meter zum ehemaligen Palast der Großfürsten, in dem seit mehr als 150 Jahren schon das Nationalmuseum Litauens untergebracht ist. Darüber thront seit dem 14. Jahrhundert die Gediminas-Burg bzw. das, was von ihr übriggebliebene ist, der Eckturm. Als wir den Aufstieg beginnen, kommen uns von oben die Neusser entgegen, mit demselben Stadtplan in der Hand wie wir. Lachende Begrüßung.

 

Nachdem wir schnaufend und schwitzend oben angekommen sind, sehen wir andere Touristen mit einem Aufzug vom Gelände des Nationalmuseums aus schräg nach oben fahren. Nun denn, wir haben uns die tolle Aussicht von oben verdient! 

 

Aber auch innen ist der Turm interessant. In jedem Stockwerk gibt es eine andere Ausstellung aus verschiedenen Jahrhunderten und dargestellt mit unterschiedlichen Methoden/Medien. Am meisten beeindruckt haben uns die Fotos der 600 km langen Menschenkette vom 23. August 1988 von Vilnius über Riga bis Tallinn, als die baltische Bevölkerung genau 15 Minuten in friedlicher Geschlossenheit für den  Austritt aus der Sowjetunion demonstrierte. Bilder, die wir damals gesehen und schon wieder vergessen haben.

 

 

Wir machen denselben Rundgang wie alle anderen auch (womit wir fast zwangsläufig die Familie aus Neuss noch einmal treffen) und sehen die Kathedrale und auch die Synagoge, die gerade renoviert wird, das Rathaus, die alte Universität und das Regierungsgebäude, vor dem eine Schar von Reportern hinter Kameras und Mikrofonen auf wen auch immer warten. 

 

Und wir sehen viele Menschen auf den Straßen und in den Lokalen, ein reges Stadtleben der Bevölkerung, schöne und auch vernachlässigte Innenhöfe, viele kleine Geschäfte und noch nicht ganz so viele Ketten wir andernorts. Die Flanierstraßen gefallen mir mit ihren alten Häusern, sind aber für uns schwer zu fotografieren ohne Weitwinkel.

Und wie immer gibt es vieles was wir nicht gesehen haben, wie z.B. die Markthalle oder das Tor der Morgenröte.

 

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19| KAUNAS

In Vilnius haben wir etwas über die Besonderheiten des Kreisverkehrs gelernt. Auf dem Weg von dort nach Kaunas staunen wir über die litauische Autobahn mit Bushaltestellen, immerhin auf Buchten neben der Fahrbahn, und sehr vielen Werbetafeln, wann immer sich eine größere Ortschaft nähert. 

Während der Hitzeperiode in Polen hatten wir die Klimaanlage in der Fahrerkabine auf 23 °C eingestellt. Heute schalten wir sie mit der gleichen Temperatur wieder ein, allerdings zum Heizen. Es hat spürbar abgekühlt, der Himmel ist bedeckt, und ab und zu regnet es.

 

Skytech im Kornfeld, ablenkende Werbung neben der Autobahn
Skytech im Kornfeld, ablenkende Werbung neben der Autobahn

 

Der 4-Sterne-Camingplatz Kaunas-City ist der Hammer. Nur dass kein Hammer auf die Schädel der Camper trommelt, sondern der starke Verkehr von Autobahn auf der einen und Landstraße auf der anderen Seite. Da haben es die Wohnmobile auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz in der Stadt, in strategisch günstiger Lage zwischen Burg und Altstadt, bestimmt hundert mal leiser. Außer am Wochenende, wenn die Jugendlichen sich dort treffen. 

 

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Wahrscheinlich gibt es in den Vororten von Kaunas noch vereinzelte gut erhaltene Holzhäuser, aber was der Besucher von weitem sieht, sind einheitlich graue  Wohnblöcke, wohl aus der Zeit der Sowjetunion. In den sechziger Jahren wurden auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs im schnellen Wohnungsbau wahre Sünden begangen, die man hier wie dort heute versucht zu lindern.

 

Manche bezeichnen Kaunas als die heimliche Hauptstadt Litauens, wobei die Stadt vom vergangenen Ruhm als Handels und Diplomatenstadt zehrt. Zur Zeit rüstet sie wieder mächtig auf, weil Kaunas zur europäischen Kulturhauptstadt 2022 ernannt wurde. Baustelle über Baustelle, vor allem die  Prachtstraße Laisvès alèja dieser Tage kaum zu begehen. Die weniger elegante Vilniaus gatve ist auch Fussgängerstraße und sehr belebt mit vielen Cafés, Bars und Restaurants. 

 

 

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20| Paradise now in ZALVARIAI

Vergangenen Sommer lag das Paradies für uns in Dänemark, in diesem Juli finden wir es auf einer Insel in einem kleinen See in dem Dorf Zalvariar in Litauen. Über eine schmale Holzbrücke gelangen wir auf die Insel und finden das Schild über zugelassene 12 t sehr beruhigend.

 

über diese Brücke gelangen auch Lastwagen beladen mit Baumaterialien auf die Insel
über diese Brücke gelangen auch Lastwagen beladen mit Baumaterialien auf die Insel
sooo viel Platz nur für uns
sooo viel Platz nur für uns

 

Der Campingplatz (Kempingas) Obouliy Sala ist für uns genial mit seinen grünen Parzellen, die jede nicht nur über Picknicktisch- und Bänke, Strom- und Wasseranschluss, sondern auch über eine Grauwasserableitung verfügen. Zudem haben wir das Glück, nach einem vollbelegten Juni fast allein zu sein. Das Restaurant im Zentrum des Platzes hat eine kleine Karte mit  guter Küche, die wir am ersten Mittag gleich nach unserer Ankunft ausprobiert haben. Zur Insel gehört ein kleiner Badestrand mit Rutsche für Kinder, eine Saune mit Teich zum Reinspringen, Tennisplatz und Kinderspielplatz sowie ein Gemüsegarten für die frischen Produkte im Restaurant. Und eine Holzwerkstatt, die Gabriels Herz höher schlagen ließ.

 

In aller Ruhe kann Gabriel auf diesem Campingplatz die Aufteilung der Garage verfeinern, den Grauwassertank und alle Leitungen durchspülen und endlich seinen Werkzeugkasten putzen und neu sortieren.

 

Und ich schicke unsere gesammelte Schmutzwäsche wieder einmal durch drei Waschmaschinen und Trockner, dazu noch ein wenig Handwäsche und ein etwas gründlicherer Hausputz als sonst.

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Und wir können Radfahren, auf wenig befahrener Asphaltstraße, aber auch auf Sandstraßen (mit vielen kleinen Stolpersteinen!), die hier ganz normal sind. Und eine Vorbereitung auf Lettland, wo nur 20 % aller Straßen asphaltiert sein sollen. Wir werden auch auf Wege geleitet, die als solche nicht mehr erkennbar sind. Weil wir glauben uns verirrt zu haben, frage ich einen uns hilfsbereit entgegenkommenden Bauern auf seinem Hof, ob wir richtig sind. Er bestätigt es mit Mimik und Gestik. Die Gesten besagen, dass wir zwischendurch schieben müssen, was sich leider bewahrheitet. Für diesen Mann wie für fast alle älteren Litauer ist die erlernte Fremdsprache Russisch, auch in Polen und wahrscheinlich den anderen baltischen Staaten, während fast alle unter 35 Englisch gelernt haben.

 

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Wir haben Glück, es regnet nur dann, wenn wir nicht unterwegs sind. So gehe ich jeden Tag aufs Neue an die Rezeption und verlängere um eine weitere Nacht. Am letzten Tag ist das Wetter sogar richtig schön vom Morgen bis zum Abend. Wir brauchen Brot und noch einiges mehr und fahren ins Nachbardorf zum Dorfladen. Wenn man die Brücke verlässt  und nach links fährt, kommt er nach ca. 3 km im Dorf Ambraziskiai. Der kleine Laden bietet mehr als wir dachten, und die freundliche Frau hinterm Tresen weiß sich auch ohne Englischkenntnisse zu helfen. Wir haben nicht den Eindruck, dass hier viele Touristen einkaufen.

 

Dorfladen in Ambraziskaiai, davor die übliche Holztafel für Mitteilungen aller Art
Dorfladen in Ambraziskaiai, davor die übliche Holztafel für Mitteilungen aller Art

 

Fährt man nach Verlassen der Insel nach rechts, gelangt man in das Dorf Zalvariai. Hier gibt es eine Bar (ganz selten in den kleinen Dörfern), auf deren Terrasse im ersten Stock wir einige Männer sehen mit Flaschen und Gläsern vor sich. Übrigens, Litauen steht in den Statistiken über Alkoholkonsum weltweit mal an erster, mal an dritter Stelle! 

 

Ein Dorf mit gepflegten Häusern und Gärten, immer auch ein Gemüsegarten mit Gewächshaus zum Vorziehen, in denen wir von Kohl über Zwiebeln bis hin zu Paprika und Tomaten alles mögliche sehen. Auch eine Schule gibt es hier noch, nur die kleine rote Holzkirche scheint nicht mehr in Gebrauch zu sein.

 

 

Wie wir es oft gesehen haben in Litauen liegt der Friedhof etwas außerhalb am Waldrand. Schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite, entdecken wir etwas versteckt hinter Gebüsch Kreuze in verschiedener Größe neben großen und kleinen Gräbern. Insgesamt sieben sind es. Kein Name, kein Datum. Der Blumenschmuck ist künstlich, die Kerzen sind echt. 

 

An der Rezeption zeige ich der in allen Bereichen kompetenten Chefin meine Fotos davon und frage sie nach dem Ursprung dieser Gräber außerhalb des Friedhofs. "The official version ..." besagt, dass an dieser Stelle ein Haus stand, welches komplett abbrannte. Die Leichen der Bewohner wurden nicht gefunden und konnten demnach nicht bestattet werden, darum habe man diese Gräber ohne Inhalt angelegt. Sie kenne nur diese offizielle Version, und ich ziehe es vor nicht weiter nachzuhaken.

 

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Doch zurück zu den Lebenden. In Litauen können wir den Sommer wieder hören. Es summt und zirpt, Bienen und Hummeln, dicke glänzende Fliegen und wie in Polen auch viele Nester, in denen Klapperstörche ihren Nachwuchs versorgen. Der Schatten: "Unsere" Insel gehört einer niederländischen Holding, die das Gelände außerhalb des Campingplatzes parzelliert hat und stückweise zum Verkauf anbietet. Warten wir's ab, bislang hat sich noch kein Käufer gefunden.

 

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LETTLAND

 

21| SIGULDA

Die Vertreibung aus dem Paradies ist brutal mit ca. 300 km Fahrt durch zum Teil dichten Regen. Von den litauischen Autobahnen sind wir ja schon Bushaltestellen und Abzweigungen in den Wald gewohnt, aber heute kommt es noch besser mit Radfahrern (erlaubt!), Ampeln vor Zebrastreifen und als Gipfel die Möglichkeit, mit kühnem Schwenk auf einer Wendespur die Fahrtrichtung zu wechseln. Ich erschrecke mich fast zu Tode, als ich gerade auf der linken Spur einen Laster überhole und von noch weiter links ein Pkw auf seiner Spur zum Richtungswechsel vor mir einschert. Ufff!

 

Viele verlassene und verfallende Höfe passieren wir, die Landflucht ist offensichtlich.

 

Aber uns kommen wieder Wohnmobile entgegen, mindestens ebenso viele wie in der gesamten Zeit vorher im Baltikum. Meine Vermutung bestätigte sich: Auf dem Parkplatz in Sigulda vor dem alten Schloss standen außer uns nur Womos mit deutschen Kennzeichen, vor allem aus Hamburg und Kiel. Irgendwann kam noch ein Italiener dazu, alle verbrachten wir eine ruhige Nacht.

 

Parkplatz vor dem Schloss, auf dem die Übernachtung von Wohnmobilen geduldet wird
Parkplatz vor dem Schloss, auf dem die Übernachtung von Wohnmobilen geduldet wird

 

Sigulda ist ein überaus gepflegter Ort mit großzügigen Grünflächen, gestutztem Gras und viel arrangiertem Blumenschmuck. Und dem besten Restaurant, in dem wir bisher im Baltikum gegessen haben. Dort sind wir hungrig die ersten Gäste und haben Glück, denn fast alle Tische sind reserviert. Als alle  ihre Plätze eingenommen haben, höte ich um uns herum ausschließlich Deutsch in diversen Mundarten. Außer in den Gesprächen auf englisch mit der freundlich professionellen Bedienung. Unser Abendessen mit Carpaccio von Octopussy als geteilter Vorspeise, Zanderfilet für mich und Lammschulter für Gabriel + einer Flasche Chardonnay aus Argentinien war den Preis von 59 € allemal wert. 

 

 

Nach dem guten Essen am Abend steigen wir am nächsten Morgen trotz Fahrstuhlangebot die Treppen zum Turm der nicht mehr vorhandenen Burg hinauf und danach noch alle möglichen Treppen auf dem Gelände rauf und runter. Wie üblich ist ein Gebäude gerade wegen Restauration geschlossen. Ansonsten, was soll ich sagen? Viele alte Steine, dazu ein paar neuere Ziegel, die ganze Anlage super gepflegt und innen mit dicken neuen Holzkonstruktionen gestützt. Wie schon  in Trakai rollen kurz vor der morgendlichen Öffnung Busse auch mit spanischen Touristen auf den Parkplatz, und die Touristen strömen in Scharen durch das Eingangstor.

 

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Der Nationalpark Guaja zwischen Sigulda und Vamiera hat außer Wald noch eine weitere Burg zu bieten und vieles mehr, aber wir haben die Wetteraussichten für den nächsten Tag gesehen und wollen weiterziehen nach Estland.


ESTLAND

 

22| TARTU 

Auf dem Weg nach Tartu waren die Straßen in besserem Zustand als in Litauen und Lettland, obwohl wir auch dort bislang keine größeren Schwierigkeiten hatten. Vor allem aber fiel uns der Unterschied in den Bushaltestellen auf. Die am Straßenrand in Estland sind allesamt nicht nur überdacht, sondern auch von drei Seiten geschützt. Manche bestehen aus einem hübschen Holzhäuschen, andere aus Metall oder Ziegeln, aber immer kann der Wartende sich vor Wind und Wetter schützen. In Litauen und Lettland dagegen findet sich gerade mal eine schmale Bank, ohne Rücklehne, daneben ein Mast mit dem Haltestellenschild, und sonst nichts. Rein gar nichts.

 

Und dann wird es heavy:

diese auch nicht mehr ganz so knackigen Jungs sind der Grund für ein Overbooking auf dem Stellplatz
diese auch nicht mehr ganz so knackigen Jungs sind der Grund für ein Overbooking auf dem Stellplatz

 

Am 17. Juli treffen wir auf dem Stellplatz am Hafen in Tartu ein, und gleich zur Begrüßung wird  uns und anderen Neuankömmlingen klargemacht, dass wir wegen des Konzerts am 18. Juli nur eine Nacht bleiben können. "We are overbooked". Macht nichts, länger wollen wir sowieso nicht bleiben. Für das Konzert kommen Fans in Wohnmobilen und Campern aus allen drei baltischen Ländern, aber auch viele Finnen, die die meisten Fahrzeuge auf de Platz stellen.

 

Der Hit sind zwei Männer aus Litauen, die wegen ihres zu kurzen Stromkabels mit uns ins Gespräch kommen. "It's the first time that we rent a fucking camper" flucht einer lachend, weil er mit der Elektrik nicht zurecht kommt. Als sie hören, dass wir den weiten Weg aus Spanien bis hierher gemacht haben, fragen sie uns mehrmals mit großen Augen: "What are you doing here? This is the ash of the world!". Sie schwärmen von Deutschland und von Spanien und können überhaupt nicht begreifen, dass wir freiwillig so weit gefahren sind, bis zum angeblichen Arsch der Welt.

 

Sie spiegeln die Haltung vieler junger und zum Teil gut ausgebildeter Menschen vor allem in Litauen und Lettland wieder, die es ins europäische Ausland zieht. So viele verlassene Dörfer haben wir schon gesehen und auch verfallende Häuser in den Städten.

 

der Stellplatz liegt am Fluss Embajögi (Embach), der durch die Stadt fließt
der Stellplatz liegt am Fluss Embajögi (Embach), der durch die Stadt fließt

 

Von der Marina gehen wir auf einer vielbefahrenen Hauptstraße parallel zum Fluss in die Altstadt, vorbei an modernen Bauten mit Einkaufszentren, Fitnessclubs und Hotels. Danach geht es gemütlich weiter auf der Promenade, wo bei dem heute schönen Wetter mit immerhin 22 °C die Einheimischen flanieren und es sich in den Bars geht gehen lassen. 

Auch Tartu hatte von 2013 bis 2019 einen Bevölkerungsschwund von rund 5 % zu verzeichnen, aber man sieht die Anstrengungen der Stadt, die Menschen zu halten. Und wir sehen zum ersten Mal in einer Stadt unter 100.000 EW alle gängigen Marken versammelt, von H&M über Zara und ecco, und wem das Shopping zu anstrengend wird, kann sich bei McDonalds stärken. Diese Unternehmen wären nicht hier, würden sie nicht Profit machen oder sich zumindest erhoffen.

 

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Die Altstadt von Tartu gefällt mir mit ihren hellen Häusern in der Fußgängerzone. Uns fällt auch auf, dass wir hier weniger Vernachlässigung und Verfall sehen als zuvor in Litauen, anscheinend läuft die Wirtschaft in Estland besser. Tartu ist eine alte Universitätsstadt, wir sehen viele junge Leute auf der Straße, in Terrassencafés oder auch im Park abhängen. Tartu ist allemal einen Besuch wert; die Stadt ist so lebendig und vielseitig und dabei (noch?) nicht überlaufen.

 

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MUSTVEE am Peipussee

Der Peipussee liegt im Osten von Estland an der Grenze zu Russland, d.h. die Grenze verläuft irgendwo im Wasser. Er ist sieben Mal so groß wie der Bodensee, und den finde ich schon beeindruckend. Wir hielten auf einem Parkplatz in Mustvee, einem Ort unter 2.000 Einwohnern. Der derzeitige Bürgermeister heißt Max Baur; später werden wir noch andere deutsche Namen finden als Beweis für die wechselvolle Geschichte dieses Landes. 

 

An der kleinen Mole schaut man auf den See als wäre es das Meer, weil das gegenüberliegende Ufer kilometerweit entfernt ist. Wenige Boote dümpeln hier. Das anliegende Café ist geöffnet, dort sitzen einige Gäste. Am Parkplatz wird in zwei kleinen Ständen Fisch verkauft, nicht viel größer als eine Sardine, zu 4 € das Kilo.

 

 Wahrscheinlich wäre eine Übernachtung auf diesem Parkplatz kein Problem, womöglich bleibt das Wohnmobil, das nach uns kam, oder der Wohnwagen mit dem elegant gekleideten Paar aus Great Britain. Den überraschend großen und gut sortierten Supermarkt der coopKonsum-Kette im Dorf verlassen wir mit prall gefüllten Rücksäcken.

 

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MEREOJA CAMPING

Auf unserer ersten Reise mit Maggie, als wir sie von Norddeutschland nach Mallorca überführten, waren wir unerfahren und unsicher und haben fast nur auf Campingplätzen übernachtet. Seitdem bevorzugen wir zum Übernachten Stellplätze, Parkplätze oder auch schon mal den Straßenrand, wenn es gar nicht anders geht. Aber auf dieser Reise, angefangen in Polen und jetzt im Baltikum finden wir fast nur Campingplätze und lernen ihre Vorteile schätzen. Drei Tage auf einem guten Campingplatz ist ein bisschen wie Urlaub vom Reisen. Zumal manch traumhafter Platz in Polen nur 15 € kostet einschließlich Ver- und Entsorgung sowie Stromanschluss, und auch im Baltikum die meisten Plätze um die 20 € liegen. Und das in der Hochsaison.

 

Der Mereoja Camping in Viru-Nigula vald (Lääne-Virumaa) ist so ein Platz. Vor sechs Jahren wurde er eröffnet und noch in diesem Sommer wird er erweitert. Am geschmackvoll gestalteten und super sauberen Sanitärgebäude kann sich manches Hotel-Badezimmer ein Beispiel nehmen. Und an der Ver- und Entsorgung und dem Häuschen für die WC-Entleerung viele Stellplätze. Dazu gibt es einen Kinderspielplatz, eine Küche und erfahrenes Personal an der Rezeption. 

 

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RAKVERE (Wesenberg)

Auf der Suche nach einem Wachs für Fahrradketten empfahl uns der Rezeptionist des Mereoja Camping einen Fahrradladen mit Werkstatt in Rakvere. Die Stadt ist eine der ältesten des Landes und  liegt unterhalb einer Burgruine des Deutschen Ordens. Wir stellen Maggie auf dem dazugehörigen Parkplatz ab und staunten nicht schlecht, als uns von oben ein Tier entgegen schaute, das dem spanischen Osborne-Stier Konkurrenz macht. Der sieben Tonnen schwere Auerochse des estnischen Bildhauers Tauno Kangro  steht seit 2002 auf einem Granitsockel, auf dem in Kurzform die Geschichte des kleinen Landes eingraviert ist. Es ist eine Geschichte von Besetzungen durch viele Ländern, und wenn ich es richtig verstanden haben, ist jede dieser ehemaligen "Besatzungsmächte" in ihrer Sprache vertreten. Darunter auch Deutsch. 

 

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Auch in Rakvere restaurieren Arbeiter Häuser und ganze Straßenzüge. Noch besteht ein großer Kontrast zwischen Neubauten, schön und würdevoll restaurierten Gebäuden und halb verfallenen Häusern. Ich bin erstaunt über ein älteres Theatergebäude, das in dieser Kleinstadt mit weniger als 20.000 Einwohnern  immer noch als solches funktioniert. Daneben birgt eine hochmoderne Stahl- und Glaskonstruktion u.a. die Kantine.

 

Achja, den Fahrradladen haben wir auch gefunden und dort ein Mittelchen für die knirschenden Ketten gekauft. Wobei in diesem Geschäft die Verständigung mit Händen und Füßen erfolgte.

 

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23| VÖSU (Lääne-Virumaa)

Nur ungefähr 70 km trennen den Campingplatz Mereoja und Camping % Caravaning Lepispea im Kreis Lääne-Virumaa. Gleichzeitig trennen sie Welten. Mereoja ist fast perfekt (siehe weiter unten), eine gut organisierte Oase mit glänzend polierten Armaturen und Kacheln, während Lepispea enorm viel ungeordneten Platz bietet auf teilweise buckeligem Grund und dazu Sanitärgebäude mit dem ausrangierten Charme der Sowjetzeit. Das Personal ist auf beiden Plätzen gleich freundlich und hilfsbereit.

 

Aber: Mereoja liegt hoch über dem Meer, folglich muss man etliche Stufen einer modernen Metalltreppe hinuntersteigen (und nach dem Bad oder Spaziergang wieder hinauf!), auch bietet der schmale Strand keinen Platz zum hingegossenen Sonnenbaden oder Ausbreiten beim Spielen mit den Kindern. Die Möglichkeiten für Ausflüge mit dem Fahrrad sind begrenzt. Ganz anders Lepispea, weshalb wir dort drei Nächte blieben. Vom Platz geht man in ein paar Schritten an den Strand, wo genügend Grünfläche und auch Sand auf Besucher wartet, Kinder spielen können und die Eltern derweil auf dem Badetuch die Sonne genießen. 

 

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abfotografiert von der Karte, die uns freundlicherweise von der Rezeption des Campingplatzes zur Verfügung gestellt wurde

 Westlich vom Campingplatz ragen zwei Halbinseln ins Meer. Käsmu ist die kleinere mit dem gleichnamigen Dorf, in dem noch ungefähr hundert Seelen leben. Früher gab es dort in fast jeder Familie einen Kapitän, dashalb erhielt es den Beinamen Kapitänsdorf. Heute leben die meisten Einwohner vom Tourismus, der hier langsam Fuß gefasst hat. So langsam, dass die Natur und das Dorf großenteils ihren ursprünglichen Charakter behalten haben. Die Wander- und Fahrradwege sind gut ausgezeichnet und im leicht zu bewältigen. Man darf nur nicht zu oft vom Wege abkommen und sich den Bauch mit Blaubeeren vollschlagen, die noch nicht ganz reif sind.

 

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Für die Erkundung der größeren Halbinsel Pärispea fahren wir hin und zurück an die 60 km, was für mich nur dank der Motoren zu bewältigen ist. Gepriesen sei diese Technik! Und ich gebe zu, dass ich mir die letzten Kilometer bis erspart habe. Bequem im Schatten geparkt warte ich auf Gabriel, der bis zur nördlichsten Spitze Estlands radelt, während mein Ziel das Restaurant in Viinistu ist. Das uns beide überrascht und begeistert mit einer kleinen Karte und ausgezeichneter Küche, einem frischen Bier, von einer Brauerei nur für dieses Hotel mit angeschlossenem Restaurant hergestellt und am Ende mit einer Rechnung über 51 € für 2 Suppen, 2 Hauptgerichte, 3 Bier und 2 Kaffee. Ganz zu schweigen von der Atmosphäre und der tollen Aussicht auf der Terrasse. Später hören wir, dass der Koch im Winter in Tallinn arbeitet. Die jungen Kellnerinnen und Kellner sind sehr freundlich und willig, sprechen gut englisch und werden sicher noch viel lernen ...

 

Das Hotel mit Restaurant wie auch das gegenüber liegende Kunstmuseum (auf estnisch Kunstimuseum) gehören Jaan Manitski, der 1942 in diesem kleinen Ort geboren wurde und nach 50 Jahren im schwedischen Exil erst 1992 wieder zurückkehrte. Als reicher Mann und Kunstmäzen. Vom zeitweiligen Abba-Manager zum kurzzeitigen Außenminister Estlands. Früher wurde in den Gebäuden Fisch verarbeitet, heute kommen Touristen aus dem In- und Ausland für Kunst und gutes Essen. Viele Deutsche erreichen den Ort mit organisierten Fahrradtouren.

 

 

das äußerlich schlichte Hotel mit Restaurant

 

 

 

RestaurantTerrasse am kleinen Spprthafen

 

 

 

Sammelbriefkästen und Mitteilungsbrett im Dorf

 

Einen Kilometer östlich vom Campingplatz liegt das Dorf Vösu, das man über einen Fußgänger- und Fahrradweg am Meer entlang erreicht. Ein Feriendorf mit kleinen und großen Holzhäusern, einigen Restaurants und einem Supermarkt, der während der Saison auch sonntags geöffnet hat. Viele Autos aus Finnland sehen wir, auch russische Kennzeichen und natürlich estnische, dazu ein paar deutsche.

 

Auf einem Parkplatz am Meer stehen zwei Wohnmobile, die hier vielleicht ungestört übernachtet haben. Am Sonntag allerdings sind sie umzingelt von den Pkw's der Badegäste, von denen sich einige ärgern mögen über diese Ungetüme, die ihnen Platz wegnehmen. Am Meer liegt ein Restaurant, auf dessen Grundstück man gegen Gebühr im Wohnmobil übernachten kann.

 

Die ruhige Atmosphäre in Vösu und Umgebung und die Holzhäuser unter Kiefern erinnern mich an meine Kindheit, an den ersten Familienurlaub an der Ostsee vor über 60 Jahren mit einem gemieteten Käfer.

 

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24| Hauptstadt TALLINN

Die Stadt ist wunderschön, voller Leben und einen längeren Besuch wert - wenn sich nicht zusätzlich zum Regen tausende Touristen gleichzeitig aus der AIDA und anderen Kreuzfahrtschiffen über die Altstadt ergießen. Und wenn man nicht wegen Baustellen, nervösem Navi und eigenem Unvermögen auf einem höllisch lauten Parkplatz landet anstatt 300 m weiter auf dem vorgesehenen. Ein schwacher Trost, dass es nicht nur uns so erging, neben anderen Verirrten trudeln auch unsere Nachbarn vom Lepispea-Camping auf diesem hässlichen Stück Erde  ein. 

 

 

der geringe Preis von 3,50 €/24 h reduziert weder nächtlichen Verkehrslärm noch ebnet er den Boden

 

Zum Glück treffen wir früh ein und nutzen den Tag mit festem Schuhwerk und Regenschirm für eine Stadtbesichtigung. Über Tallinn ist soviel geschrieben, gepostet und bebildert worden, dass ich mir und den Lesern heute mal längere Textpassagen erspare und mich auf einige Fotos beschränke. 

 

 

für den Anblick der russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale muss man einige Treppen zum Domberg hinaufsteigen

 

 

 

für den Anblick der russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale muss man einige Treppen zum Domberg hinaufsteigen

 

 

 

auch das Tallinner Schloss steht auf dem Domberg, heute ist es der Sitz des estnischen Parlaments

 

 

 

Pole-Position für die Deutsche Botschaft gegenüber der russisch-orthodoxen Kathedrale

 

Es ist einer der seltenen Regentage bisher auf dieser Reise, aber wir finden den Großstadtbesuch günstig für die Suche nach neuer Badekleidung. Für mich werden wir schnell fündig, und die Verkäuferin verweist uns für Gabriel an ein großes Einkaufszentrum außerhalb der Altstadt. Auch dort geht es fix (es sind wirklich alle gängigen Marken vorhanden), und so betreten wir die Altstadt wieder durch das Viru-Tor.

 

durch das Viru Tor geht man nicht einfach, hier schreitet oder schlendert man

 

 

 

Kinosaal, ein tolles Beispiel für die Architektur der Sowjetzeit (eingeweiht 1955)

 

 

 

drei gut restaurierte Häuser aus dem Mittelalter

 

Tallinn bietet eine bunte Vielfalt an kleinen Geschäften, in denen Kunsthandwerk sich mit Kommerz die Hand reicht.  Verarbeitung von Stoffen hat eine lange handwerkliche Tradition in Lettland, und in der Hauptstadt sind viele lokale Modedesigner vertreten, mit großem Schaufenster oder auch versteckt in Hinterhöfen. Wie an jedem Touristen-Hotspot findet sich auch viel Nepp, aber wer will, findet eine große Auswahl an geschmackvollen und nützlichen Souvenirs. Wir wollten auf jeden Fall noch vieles mehr sehen, sind aber nach der durchwachten Nacht auf dem Parkplatz so genervt, dass wir nur noch raus wollen aus der Stadt. Aber das macht nichts: TALLINN, WIR KOMMEN WIEDER!

 

 

 

 

25| HAAPSALU

Wie es sich für einen Kurort gehört, besitzt Haapsalu ein altes Kurhaus mit einer Konzertmuschel in Hörweite, eine blumengeschmücktende Promenade zwischen See und Grünanlagen und neben schönen alten Holzhäusern auch schicke, blendend weiße Villen mit schnurgeraden Linien und Doppelgarage.  Wasser links und Wasser rechts, wohin man schaut, so dass wir uns irgendwann fragen, wo hier eigentlich die Ostsee ist. Am Ende finden wir sie direkt vor unserer Nase. 

 

Die erste Nacht stehen wir frei auf einem Parkplatz, vor dem eine Wiese ohne Sandstrand in den Badebereich führt. Unser Ausblick ist einfach nur schön, mit einer Kabine zum Umziehen, weiß gestrichenen Bänken und einem Eisstand mit Holztischen davor. Sogar eine Trinkwassersäule gibt es auf dem Parkplatz. Bis zum späten Abend sind 5 Wohnmobile hier versammelt, 2 aus Frankreich, 1 aus Belgien, 1 deutsches und wir aus Spanien.

 

 

Für die zweite Nacht bewegt sich Maggie immerhin ungefähr 300 m weiter auf eine Wiese, die ein großes P als Parkplatz ausweist, auch wenn hier sonst niemand steht. Später kommen noch in einiger Entfernung ein Wohnwagen mit EST-Kennzeichen dazu und einer aus Finnland.

 

 

ein freier und erlaubter Übernachtungsplatz mit Meerblick - was will man mehr?

 

Doch nun zu Haapsalu, das gern mit Astrid Lindgrens Bullerbü verglichen wird. Und wirklich liegt über dem alten Ortskern eine Heile-Welt-Glocke, die Geräusche dämpft scheint und Bewegungen verlangsamt. Wir schlendern an vielen Restaurants mit vollen Terrassen vorbei, aber keine Lautsprechermusik überdröhnt Unterhaltung und Besteckgeklapper.

 

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Wundert es irgendjemanden, dass auch in Haapsalu uralte Steine den Rest einer Burgruine zusammenhalten? Die sogenannte Bischofsburg aus dem 13. Jahrhundert wurde über viele Jahre hinweg in Teilen restauriert, mit archäologischen Funden auch aus Deutschland bestückt und von 2017 bis 2019 mit dem letzten Schliff versehen. Herausgekommen ist ein modernes Museum, an dem Jungs von 8 bis 80 ihre helle Freude haben. In den Kellergewölben können sie mit alten Waffen spielen, Tretmühlen in Gang setzen und sich im Gewichtheben messen. Ein Fahrstuhl führt von dort bis in das 2. Stockwerk, und die Metalltreppen zu noch Höherem sind dem neuzeitlichen Fußtritt ergonomisch angepasst.

 

Für mich ein gutes Beispiel, wie man aus der Anhäufung alter Steine ein didaktisch gelungenes Museum aufbauen kann. Das hat seinen Preis: 12 € normal, für alte Menschen wie unsereins 7 €. Ich finde das nicht teuer. Für die Kids gibt es einen großen Spielplatz innerhalb der Burgmauern, die gut in das kleinstädtische Leben integriert sind.

 

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Haapsalu hat einen entzückenden Bahnhof, natürlich aus Holz mit geschnitztem Zierrat an Säulen und Sprossenfenstern. Aber er dient nur noch als Dekoration. Davor hat der zentrale Busbahnhof seinen Platz gefunden, und dahinter blockieren verrostete Loks und Waggons die alten Gleise. Ein Freilichtmuseum? Ich liebe den Anblick von Technik, die ich nicht verstehe, und deshalb habe ich nicht das Gebäude, sondern diese ausrangierten Teile fotografiert. Vor allem, weil der Verfall so wunderschöne Spuren hinterlassen hat.

 

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Auch für Fahrradausflüge eignet sich der Standort Haapsalu. Wir fuhren ein bisschen in der Gegend herum, entdeckten schöne Villen und ein Apartmenthotel mit Sandstrand, Beachvolleyplatz und Baywatchern. Dann finden wir einen Sandweg, der uns im Windschutz von hohen Büschen bis nach Rohuküla führt, dem Fährhafen von Haapsalu. Von hier aus werden wir bei unserer nächsten Reise nach Estland auf eine der Inseln übersetzen, versprochen!

 

 

Natur am Fahrradweg, ganz in der Nähe des Städtchens

 

 

 

bis zu 3.200 € Strafe kostet die Hinterlassenschaft von Müll in der Natur

 

 

 

in Rohuküla kommt nur weiter, wer die Fähre gebucht hat

 

 

 

 

 

PÄRNU

Am Fährhafen in Rohuküla (Haapsalu) trafen wir ein Ehepaar, das mit seinem Wohnmobil einschiffen wollte für einen Besuch der Insel Hiiumaa. Sie haben schon mehrfach die Länder des Baltikum besucht und rieten uns von unserem nächsten Ziel ab. "Pärnu? Das ist wie Ballermann 6 auf Mallorca". Nun kennt vor allem Gabriel Mallorca recht gut, aber er war noch nie am berühmten Ballermann in Arenal. Warum auch, diese Strandbar ist fest in deutscher Urlauberhand. 

 

Wir fahren also wie geplant nach Pärnu und übernachten auf dem gemischten Parkplatz am alten Hafen zum sagenhaften Preis von 2 (zwei) € für 24 Stunden. Ruhig ist es mit Blick auf den Hafen, dabei gibt es genug Leben vor der Haustür in Form von  aus- und einfahrenden Booten, einem Fährschiff und einer Fußgängerbrücke, die sich teilt, wenn ein Boot mit hohem Mast unterdurch will. Der Parkplatz ist sehr groß und in einer tollen Lage, weshalb er auch ab dem kommenden aufwendig Jahr bebaut werden soll. Wir haben noch Glück und verbringen eine ungestörte Nacht.

 

 

preiswerte Übernachtung in erster Linie am alten Hafen

 

Genossen wir einen Tag zuvor in Haapsalu noch die Ruhe, dröhnen in Pärnu von jeder Restauranterrasse aus aufgedrehten Lautsprechern Bässe und stimmkräftiger Gesang bis auf die gegenüberliegende Straßenseite.  Der alte Stadtkern ist Fußgängerzone und besticht nicht unbedingt durch Eleganz, was auch für den breiten und vollen Sandstrand gilt. Dazwischen liegen Minigolf, 3-D-Muscheln und jede Menge weitläufige Parks mit schönem altem Baumbestand, durchzogen von schattigen Alleen. Aber auch Hotels aller Sterneklassen reihen sich entlang der Promenade. In Pärnu leben etwas mehr als 50.000 Einwohner auf einer Fläche größer als Hamburg oder Madrid.

 

Pärnu ist für die Menschen in Estland DER Sommer-Ferienort schlechthin in ihrem Land und wird auch aus den Nachbarländern gern und gut besucht. Entsprechend laut und voll geht es zu an einem schönen Freitagnachmittag im Juli. Aber auch das muss es geben. Schließlich sind nicht alle Touristen Rentner wie unsereins, und ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, als ich Stille für die Abwesenheit von Leben und Zukunft hielt. Die Dörfer sind einsam und  die Winter sehr lang, Ausgelassenheit am Tag und in der Nacht seien ihnen gegönnt!


LETTLAND

 

TÜJA

In Tüja machen wir Halt, weil andere Reisende uns den Campingplatz Jurasdzeni wärmstens ans Herz gelegt hatten. Und weil wir unser nächstes Etappenziel Riga nicht am Wochenende anfahren wollen. Städte sind viel interessanter, wenn die Geschäfte geöffnet haben und ein normaler Alltagsverkehr herrscht.

Am Freitag lautete die Wettervorhersage für das Wochenende 30 °C und Sonne satt (während Teile Deutschlands wieder unter 40 ° brüten sollten), weshalb ein voller Platz zu erwarten war und ich ausnahmsweise vorher anrief. Das Angebot, uns in die erste Reihe unten am Strand zu stellen, lehnten wir bei der Ankunft dankend ab. Zuviel Sonne und zuviel Sand.

 

 

Schwitzen in erster Linie mit klasse Blick aufs Meer. Links das Restaurant, in dem wir nach extrem langer Wartezeit und nicht berechnetem Bier als Wiedergutmachung unerwartet gutes Essen erhalten

 

Bis zur Abfahrt am Montagmorgen haben wir keinen blassen Schimmer, was Tüja außerhalb dieses abwechslungsreichen Campingplatzes zu bieten hat. Dafür haben wir unsere in Tallinn gekauften Badehose und Badeanzug endlich in der Ostsee eingeweiht und ist unsere Maggie wieder hochglanzpoliert von der Fahrerkabine bis zur Bettwäsche. Ich war Dauergast im Waschmaschinenraum und Gabriel ist eingetrockneten Fliegenleichen an Maggies Frontbereich zu Leibe gerückt. Und wir haben gegrillt, gebrutzelt und endlich mal wieder mit Ausdauer die Nase in ein Buch gesteckt.

 

 

Unser Eckgrundstück liegt neben einer Wiese mit vielen Zelten, aufblasbaren Schwimmunterlagen in Gestalt von Riesenschwänen oder Melonenscheiben und Lagerfeuern am Abend. Viel Rauch und eine schöne Stimmung liegen über dem Zeltplatz mit für uns unverständlichem Stimmengewirr, Kinderlachen oder - weinen und dem Klirren, wenn leere Flaschen in eine Plastiktüte gesteckt werden.

 

Von hier aus lässt sich besonders gut verfolgen, wie die Sonne zum roten Ball wird und im Meer versinkt, weshalb auch Wohnmobilbesitzer aus dem Ausland sich unter die zum ganz überwiegenden Teil einheimischen Zelturlauber mischen. Am ersten Abend war der Sonnenuntergang dramatischer mit glühend rotem Meer, aber ich hatte weder Kamera noch Handy dabei. Am zweiten war ich gut ausgerüstet, aber wir haben uns die meiste Zeit zusammen mit den anderen schlappgelacht. Einer kam auf die Idee (nicht ganz so neue) Idee, die hohle Hand auszustrecken und den Sonnenball daran aufzunehmen. Nach wenigen Minuten war der Platz am Rand über dem Strand gefüllt mit den krummen Rücken der Fotografen, die auf die glühende Kugel in der Hand ihrer Protagonisten zielten. 

 

 

eine junge Frau überprüft das gerade geknipste Foto auf ihrem Handy 

 

 

 

die von mir fotografierten Fotografen haben herzlich über dieses Bild gelacht

 

 

 

 

 

26| Hauptstadt RIGA 

Wir erreichen die Stadt am frühen Vormittag und erwischen genügend freie Fläche auf dem nicht parzellierten City-Campingplatz. Wenn man City mit Altstadt übersetzt, ist der Campingplatz tatsächlich nah daran. Aber es sind immer noch rund 2 km, die man zu tippeln hat. Wenn man dann noch wie wir vorher zum Supermark im Olympia-Center geht und mit vollen Beuteln wieder zurück und wenn man wie ich auch noch unbedingt das Jugendstil-Viertel sehen will, ist man am Abend so alt, wie man sich fühlt. Und freut sich, dass man erst die Fahrt mit dem Wohnmobil über die Brücke und danach den Fußweg hin und zurück heil überstanden hat. 

 

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Trotz knirschender Hüftgelenke und lahme Füße ist Riga ist ein architektonischer Leckerbissen mit vielen mehr oder weniger gut erhaltenen Holzhäusern in der typischen Bauweise des Baltikum, mit Bauten aus Mittelalter und Gotik, der romanischen Zeit und Jugendstil. Ich bin absolut kein Kenner der unterschiedlichen Bauepochen, aber am Ende des Tages tut mir die Halswirbelsäule weh vom begeisterten Hochgucken an aufwendig und kunstvoll verzierten Fassaden. Manchmal reiht sich ein Prachtbau an den anderen, und zusammen bilden sie lückenlose Häuserzeilen, die vielfach gut erhalten bzw. restauriert sind. 

 

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Vor allem die Jugendstilbauten haben es mir angetan. An der Fülle der Verzierungen kann ich mich nicht sattsehen, und schon allein deswegen werde ich bestimmt wieder nach Riga kommen. Auf dem Weg in das sogenannte Jugendstilviertel sind wir unsicher und tun das einzig Richtige: Wir folgen einer Gruppe Japaner. Und siehe da, sie führen uns genau dahin, wohin wir wollen.

 

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Aber Riga besticht auch mit viel Grün und viel Wasser. Durch die Stadt fließt die breite Düna, zu beiden Seiten begleitet von Kanälen. Und dazwischen immer wieder Parks mit gepflegtem Rasen und hohen Bäumen.

 

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KOLKA

Das Kap Kolka liegt an der nördlichen Spitze einer lettischen Halbinsel (Kurland) zwischen der offenen Ostsee und der Bucht von Riga. Wir übernachten neben anderen Wohnmobilen (auch hier fast alle aus Deutschland) auf einem kostenlosen Parkplatz, von dem aus man in wenigen Minuten ans Kap gelangt. 

 

 

Kap Kolka ist der einzige Punkt in Lettland, wo man von derselben Stelle aus die Sonne über dem Meer aufgehen und wieder im Meer versinken sieht. Solange wollten wir aber denn doch nicht in Sand und Wind stehenbleiben ;-)) 

 

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27| VENTSPILS (Windau)

Der Name Ventspils setzt sich zusammen aus dem Namen des Flusses Venta, der hier in die Ostsee mündet, und dem Wort Pils = Burg oder Festung, auf jeden Fall KEIN BIER. Wir übernachten auf dem Parkplatz vor dem Terminal der Stenaline, in dem auch die Tourist-Information beheimatet ist. Gleich drei freundliche junge Frauen empfangen uns dort und freuen sich mit breitem Lächeln über mein Kompliment über den außerordentlich vielfältigen und üppigen Blumenschmuck in der Stadt.

 

 

 ungezwungenes, wenn auch lautes Stehen auf dem gemischten Parkplatz vor dem Stenaline-Terminal

 

Zum ersten Mal hat Ventspils 2002 am weltweit größten internationalen Kunstprojekt teilgenommen, der Cow Parade. Die Einwohner waren davon hellauf begeistert und machten 2012 wieder mit. Und nicht nur das, danach entschieden die Bürger, dass entgegen sonstiger Gepflogenheit der teilnehmenden Städte eine große Anzahl der Kühe weiter an Ort und Stelle grasen sollte. 

 

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Durch Maggies Seitenfenster sehe ich es trotz des Regens himmelwärts gülden schimmern und gehe der Sache nach. Ich habe Glück, die Pforte zum großen Grundstück der orthodoxen Kirche steht offen. Zwei Frauen arbeiten konzentriert auf dem Fußboden im Eingang. Sie nicken mir einladend zu und lassen mich draußen fotografieren. Die Begeisterung für die bunten Kühe scheint sich auf andere Tierarten übertragen zu haben, ich staune über die Werke auf dem Rasen rund um die Kirche.

 

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Im Handelshafen ist emsiger Betrieb, gerade wird Kohle vom Schiff auf Eisenbahnwaggons verladen. Dahinter sehen wir die typischen riesigen runden Tanks der Petrochemie, vielleicht auch Gas. Es sieht so aus als würden in Ventspils viele Güter bewegt werden und das Geld investiert in breite Straßen, ansehnliche Wohnblocks und Bauten für Kultur und Sport. Nicht zu vergessen die überbordende Blumendekoration auf ganz normalen Straßen! 

 

Immer noch existiert das alte Hafenviertel mit seinen mehr oder minder verwitterten Holzhäusern. Einige wenige sind halb verfallen, andere wieder hergerichtet und geschmackvoll modernisiert. Am ehemaligen Hafen thront ein Ziegelsteingebäude, das auf alten Postkarten als die "Alte Hafenfabrik in Windau" abgelichtet ist. Es sieht so aus, als würde dieses Gebäude jetzt restauriert, wie so viele andere in der Stadt, und einer neuen Bestimmung zugeführt.

 

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LITAUEN

 

28| SIAULIAI

(Berg der Kreuze)

Vom Berg der Kreuze zu sprechen ist schon ziemlich hoch gegriffen, aber im deutschen Sprachgebrauch üblich. Die Litauer sind da realistischer, sie nennen diesen Wallfahrtsort Hügel der Kreuze. Genau genommen ist es ein Buckel, vielleicht gerade mal 10 m hoch. In der Mitte gehen Touristen und Gläubige auf dem Holzweg durch die Masse der Kreuze, und weil diese sich auch zu beiden Seiten ausbreiten, stelle ich mir vor, dass man von oben ein riesiges Kreuz sieht. 

(Das Foto lässt sich vergrößern)

 

Mit der Parkgebühr von 2,90 € für Wohnmobile ist der Eintritt abgegolten. Vor dem Weg zu den Kreuzen werden diese und andere religiöse Souvenirs an einem langen Stand angeboten, angefangen bei einem Euro bis zu ???. Viele bringen ihre Kreuze von zu Hause mit und heften einen oder mehrere Wünsche daran. Bei unserem Besuch habe ich den Eindruck, dass mindestens die Hälfte der Leute aus neugierigen Touristen besteht wie wir. Viele der hölzernen Gebilde sind bereits verwittert, abgeknickt oder haben sich zu einem Haufen wie Müll vereint. Das ist gruselig und skurril, verwirrt und stimmt auch traurig.

 

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29| NERINGA (Kurische Nehrung)

Die Kurische Nehrung und das Haff behalten den Ruf der Einzigartigkeit, und so wollten wir sie auf keinen Fall links liegen lassen. Außerdem habe ich auf der russischen Seite (im Samland) familiäre Wurzeln und wollte wissen, ob diese Landschaft wirklich so schön ist, wie meinen Geschwistern und mir von Kindheit an erzählt wurde. 

 

Die Erinnerung hat in den Köpfen der aus Ostpreußen geflohenen Vorfahren nichts beschönigt! Auch wenn wir "nur" auf der litauischen Seite waren und mit den Rädern an der Grenze zu Russland umkehren mussten, haben wir den Sand nirgendwo so weiß und fein gesehen wir hier. Das Licht ist mild und strahlend zugleich, die Dünen sind bis zu 50 m hoch gewachsen und wandern immer noch,  und die Dörfer mit ihren Holzhäusern sind zum Verlieben. Wobei Nida (Nidden) eine Ausnahmestellung hat als moderner Touristenort mit allen Vor- und Nachteilen. Die litauische Verwaltung hat alle Ortschaften auf der Nehrung zur Stadtgemeinde Neringa zusammengezogen, daher dieser neue Name.

 

Billig ist es nicht. 25 € für 5 Minuten auf der Fähre mit dem Wohnmobil, 30 € kostet der unumgängliche Beitrag für den Nationalpark, und der einzige Campingplatz weiß um seine Monopolstellung und kassiert 35 € pro Nacht, was für Litauen ein horrender Spitzenpreis ist, hier allerdings ohne Spitzenleistung. Da bleibt nur eines: Zahlen, Vergessen und Genießen.

 

 

52 km lang ist die Landstraße auf der litauischen Seite, gut asphaltiert und für Fahrräder verboten. Der Sinn dieses Verbots erschließt sich uns auf Ausflügen mit dem Rad, die fast durchweg über asphaltierte Wege führen. Nur selten muss man die Landstraße überqueren. Man fährt durch lichte Kiefernwälder, auf deren Sandboden nur Unterholz wächst. Auf auf langen Halmen umschmeichelt es die die dünnen, hohen Stämme. Manchmal führt der Weg auch am Deich entlang oder wechselt von der Ostsee zum Haff.

 

 

 

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 Ich will unbedingt auch nach Juodkranté, das einzige Dorf, dass wir auf der Landstraße durchqueren und wunderschön finden. Aber mit dem Rad sind es 30 km vom Campingplatz, und nach 25 km gebe ich auf. So sehen wir andere, kleinere Dörfer und lernen in Nida die Kurenwimpel kennen.

 

Wir erklimmen die Gipfel zweier Dünen und sind erstaunt, auf beiden die gleiche Sonnenuhr vorzufinden. Die eine ist mit dem Auto leicht zu erreichen; vom Parkplatz ist es nicht mehr weit zu gehen. Die andere Düne erfordert echten Einsatz beim Aufstieg über eine hölzerne Treppe und weitere, wenn auch flachere Stufen im oberen Bereich, insgesamt sind es über 250 Stufen! Wer die zu schnell geht, kommt ins Japsen. Ich brauche zwei Verschnaufpausen, schlaue Menschen haben dafür Bänke aufgestellt. Aber die Anstrengung lohnt sich nicht nur für die Sonnenuhr, vor allem die Aussicht ist zu allen Seiten fantastisch. 

 

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 Das Thomas-Mann-Museum in Nida (Nidden) wird vor allem von Deutschen besucht, entsprechend gut spricht die freundliche junge Frau an der Rezeption unsere Sprache. Drei Sommer verbrachte der berühmte Schriftsteller hier mit seiner Familie und trug dadurch zum Ruhm der Kurischen Nehrung bei. Bis er sich 1933 entschied, von einer Vortragsreise im Ausland nicht in das nationalsozialistische Deutschland zu rückzukehren.

 

Das Foto zeigt die Aussicht des Schriftstellers aus seinem Arbeitszimmer im oberen Stockwerk.

 

 

 

 

 

 

Einmal nicht in einer ausrangierten  Telefonzelle findet die Straßen-Bibliothek in Nidden Platz in einem originellen Holzbau. Und bietet nicht nur Bücher von Thomas Mann an ...